Paläontologie

Ein Bericht von Univ. Prof. DDr.  Gernot Rabeder

Bericht über die paläontologische  Probegrabung in der

Ochsenhalthöhle

(Kat. Nr. 1634/40) im Toten Gebirge

 Vorbemerkungen: Alpine Bärenhöhlen gehören zu den interessantesten Fundstellen quartärer  Wirbeltiere, weil sie nicht nur Kenntnisse über die fossilen Tiere selbst erlauben sondern auch über das zu jener Zeit herrschenden Klima und eventuell über die Beziehung zum Steinzeit-Menschen. Eine besondere Anhäufung finden wir im Toten Gebirge. Nicht weniger als sechs  der insgesamt ca. 30 Bärenhöhlen  der Alpen liegen am Rand dieses großen Plateaugebirges:  die Salzofenhöhle bei Grundlsee, die Brettstein-Bärenhöhle an der Grenze der Gemeinden Grundlsee und Tauplitz, das Lieglloch und die Brieglersberghöhle im Gemeindegebiet von Tauplitz sowie die Ramesch-Knochenhöhle und die Gamssulzenhöhle in Spital am Pyhrn. Die Forschungen der jüngsten Zeit haben gezeigt, daß diese Höhlen zu verschiedenen geologischen Zeiten von stark unterschiedlichen Höhlenbären-Gruppen bewohnt waren. Mindestens drei „Unterarten“ (oder sogar Arten) der Ursus spelaeus-Gruppe konnten festgestellt werden:

1.)    Sehr kleine und primitive Bären fand man in der Brieglersberg- und in der Brettsteinhöhle. Sie stammen wahrscheinlich aus der Riß-Würm-Warmzeit (130.000 bis 120.000 Jahre vor heute) oder aus einer Warmphase des Frühwürms (110.000 bis 80.000 J.v.h.)

2.)    Die hochalpine Kleinform des Mittelwürms (65.000 bis 30.000 J.v.h.) wurde bisher aus der Salzofen- und aus der Ramesch-Knochenhöhle beschrieben. Eine Verringerung der Körpergröße und eine Abnahme der Evolutionshöhe des Gebisses während dieser Zeit konnte im Sedimentprofil der Rameschhöhle nachgewiesen werden.

3.)    Eine großwüchsige „moderne“ Bärenform bewohnte in Mittel- und Spätwürm (38.000 bis 20.000 J.v.h.) die Gamssulzenhöhle und das Lieglloch.

Die stammesgeschichtlichen Zusammenhänge dieser Gruppen werden derzeit intensiv untersucht. 

Die Entdeckung einer siebten Bärenhöhle im Toten Gebirge bringt neue Forschungsmöglichkeiten. Da diese Höhle von unbefugten Grabungen verschont geblieben ist, können von Anfang an die modernsten Grabungsmethoden angewendet werden, um wissenschaftlich möglichst genaue und seriöse Daten zu erhalten. Vor allem soll der Frage nachgegangen werden, ob die in der Ramesch-Knochenhöhle dokumentierte Verkleinerung der Körpergröße auch in der Ochsenhalthöhle nachzuvollziehen ist.  

Entdeckungsgeschichte: Der Höhlenreichtum der Weißenbacher Mauern und des darüber liegenden Plateaus ist schon lange bekannt. Hermann von Wissmannn beschrieb in den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Höhlen des Warschenneckstockes  z.B. Brülloch, Frauenloch am Fuß der Weißenbacher Mauern sowie zahlreiche Höhlen am Plateau z.B. die Raunete Luckn, das Walchenloch usw.. Die Ochsenhalthöhle war ihm trotz der Größe des Einganges nicht bekannt geworden.

Für die Höhlenforschung wurde sie vor rund 18 Jahren durch Ralf Benischke und Gef. entdeckt und z.T. vermessen. Im Jahre 1996 begannen Mitglieder des Vereines für Höhlenkunde in Obersteier im Rahmen des „Weißenbacher Höhlenprojektes“ mit weiteren Vermessungs- und Erkundungsarbeiten im Gemeindegebiet von Weißenbach bei Liezen. Bei einer Vermessungstour  am 7.8. 1999 fanden Hans Segl (Bad Mitterndorf) und Ernest Geyer (Weißenbach) im Eingangsbereich der Großen Ochsenhalthöhle kleine Knochen und Zahnfragmente, die am Institut für Paläontologie der Universität Wien als Reste des ausgestorbenen Höhlenbären (Ursus spelaeus)  identifiziert wurden. Eine am Institut für Isotopenforschung und Kernphysik der Universität Wien durchgeführte Radiokarbondatierung nach der AMS-Methode  ergab ein Alter von 36.240 Jahren vor heute (mit einem mittleren Fehler von +670 und -620 Jahren). Dadurch war zu vermuten, daß die Ochsenhalthöhle im Mittelwürm (65.000 bis 35.000 Jahre vor heute) von Höhlenbären bewohnt worden war – also zur selben Zeit wie die Ramesch-Knochenhöhle.

Eine Probegrabung sollte klären, ob es in der Ochsenhalthöhle fossilführende Sedimente gibt, die weitere Forschungen zulassen. 

Die Probegrabung vom 1. bis 15. Juli 2001

Bei einer Besichtigung der Höhle durch Ernest Geyer, Sepp Steinberger und dem Autor im September 2000 wurden die günstigsten Möglichkeiten für die Auswahl von Grabungsflächen erkundet. Wir entschieden uns für eine 2 mal 2 Meter große Fläche im tagnahen Bereich (Eingangshalle) der Großen Ochsenhalthöhle, wo die Fossilführung und die Sedimentabfolge geklärt werden soll. Eine zweite gleich große Fläche wurde für die Halle hinter der ersten Engstelle geplant.

Die ursprünglich für August geplante Grabung wurde wegen jagdlichen Gründen in den Juli vorverlegt. Die Anreise des Grabungsteams, bestehend aus 7 studentischen Teilnehmern (Michael Brandl, Monika Froemel, Carmen Houben, Nadja Kavcik, Daniel Mondl, Harald Pimminger und Dieter Schreiber) sowie dem Grabungsleiter Prof. Dr. Gernot Rabeder, erfolgte am 1. Juli. Nach Eintreffen im Grabungsquartier Hochmölbinghütte konnte noch am selben Tag ein Großteil der Ausrüstung zu einem Depot in der Nähe der Höhle gebracht werden.

Am nächsten Tag wurde der restliche Teil des Grabungsgerätes zur Höhle geschafft und mit der Einrichtung der Grabungsstellen begonnen. Schon beim Abgraben der obersten Schichten tauchten die ersten Fossilfunde auf. Es handelt sich fast ausschließlich um Reste des Höhlenbären, die durch Korrosion (chemische Einwirkung durch schwache Säuren) stark fragmentiert erscheinen. Große Knochen (Schädel, Unterkiefer und Langknochen) sind praktisch nur als gerundete Knochenstücke oder Knochensplitter erhalten. Kleine feste Knochen wie Hand- und Fuß-Wurzel- sowie Mittelhand- und Mittelfuß-Knochen und besonders die Zähne sind gut erhalten und kommen in reichlicher Fülle vor.

In der Eingangshalle wurden die Fossilien in zwei sehr unterschiedlichen Sedimenttypen gefunden: weniger reich an Funden sind helle Feinsande,  in denen die Fossilien zumindest kleinräumig verfrachtet erscheinen. Diese Sande fanden sich besonders an der Ostseite des Grabungsareal und stellen die Füllung einer rinnenartigen Struktur dar.

Wesentlich fundreicher sind hell- bis dunkelbraune Lehme, in denen die Fundhäufigkeit gegen das Liegende zunimmt. Hier könnte es sich um eine primären Fundlage handeln, was aber erst durch weitere Grabungen bestätigt werden könnte. Die Sedimente der Grabungsstelle 1 konnten im Laufe der zwei Wochen bis in eine Tiefe von 70 cm unter dem Höhlenboden abgegraben werden.

In der Grabungsstelle 2 in der Wissmannhalle wurden bis in eine Sedimenttiefe von 2 Metern ausschließlich die hellen Sande angetroffen, die aber ebenfalls Fossilien enthalten z. T. linsenförmig angehäuft.

Am 14. Juli wurden die Probegrabung beendet und das Grabungsgerät wieder zur Hochmölbinghütte transportiert. 

Vorläufige Ergebnisse

Aus der Probegrabung und den ersten Analysen der Fossilien konnten folgende Erkenntnisse gewonnen werden:

1. Die Große Ochsenhalthöhle in den Weißenbacher Mauern ist eine typische alpine Bärenhöhle d.h. daß hier die Höhlenbären über einen längeren Zeitraum überwintert haben.

2. Auf Grund der topographischen Lage (sie ist schwer auffindbar und relativ weit von einem Stützpunkt entfernt) wird die Gefahr, daß die Höhle durch Raubgräber gestört wird, als relativ gering eingestuft.

3. Die ungestörten Sedimente erlauben eine stratigrapische Entnahme der Fossilien, was uns  Hoffnung schöpfen läßt, daß hier den evolutiven Vorgängen nachgespürt werden kann und genauere Aussagen über die Klimageschichte des Toten Gebirges möglich werden.

4.  Die Wahrscheinlichkeit, daß in der Ochsenhalthöhle Spuren des steinzeitlichen Menschen zu finden wären, ist auf Grund des geologischen Alters und der Lage der Fundstelle genauso gegeben wie in der Ramesch-Knochenhöhle. 

Dank

Für die Erlaubnis, in der Ochsenhalthöhle eine Probegrabung abhalten zu dürfen, danken wir in erster Linie der „ALWA“ Güter- und Vermögens-Verwaltungsgesellschaft, insbesonders Herrn Forstdirektor Diplomingenieus Alfred Stadler.

Für die Möglichkeit, die Güterstraße von Wörschach-Schönmoos bis zum Klamml zu benützen und damit den Transport wesentlich zu erleichtern, sagen wir Frau Friederike Wissmannn herzlichen Dank.

Dem Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Referat für National- und Naturparke, danken wir für die naturschutzrechtliche Bewilligung der Probegrabung.

Den Bewirtschaftern der Hochmölbinghütte, Frau Renate Schwarzkogler und Herrn Peter Schernthaner, sei für die freundliche Aufnahme und die gute Bewirtung sowie für die Hilfe beim Material-Transport vielmals gedankt.

Als Träger der schweren Lasten fungierten die Herren Gisbert Rabeder, Ernest Geyer, Hans Segl, Franz Schmidt und Hans Putz, wofür ihnen auch hier herzlich unser Dank ausgesprochen wird.

Schließlich sei allen Grabungsteilnehmern für den reibungslosen und erfolgreichen Verlauf der Grabung gedankt.

Die Finanzierung der Grabung erfolgte aus Mitteln der „Kommission für Quartärforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften“ sowie aus Exkursionsmitteln der Universität Wien.

 Ausblick

Die Ergebnisse der Probegrabung sind so vielversprechend, daß eine mehrjährige Grabungskampagne geplant wird.  

Abbildungslegenden: 1 Die Große Ochsenhalthöhle während der Grabung im Juli 2001, 2 Aussuchtisch im Portal der Kleinen Ochsenhalthöhle, 3 Das bisher gegrabene Sedimentprofil, die fossilen Knochen findet man hauptsächlich im braunen Lehm aber auch im hellen Sand

4 Eine kleine Auswahl von Zähnen und Knochen des Höhlenbären: ein männlicher und ein weiblicher Eckzahn, drei Milch-Eckzähne, ein Sprungbein und ein Mittelhandknochen.